Demenz - Hamburger Institut für angewandte Spiritualität

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Demenz - Hilfe im Umgang mit demenziell Erkrankten (hier m\'f6glicher download als pdf)
Donnerstag, 15. März 2012

  • es gibt immer mehr demenziell Erkrankte, z.Z. ca. 1,2 Mio. Deutsche,

  • in 10 Jahren wird Verdopplung erwartet

  • man kennt die wahre Ursache noch nicht, es gibt nur verschieden Hypothesen zur Entstehung

  • bisher gibt es auch noch kein Heilmittel, bei frühzeitiger Diagnose kann man den Prozeß etwas hinauszögern

  • Kinderkrankheiten haben einen Sinn in der menschlichen Entwicklung, wahrscheinlich auch die Seniorenkrankheiten

  • (Welche Entwicklungsmöglichkeiten könnten darin liegen? Im Nachlassen der geistigen Fähigkeiten bei Demenz könnte die Fähigkeit liegen, die emotionalen Kräfte wachsen zu lassen.)

  • Demenz ist, am Ende eines Lebenslaufes in der Gegenwart mit  der Vergangenheit zu kämpfen

  • das Verhalten, bzw. die Verhaltensänderung stellt Angehörigen vor ein Rätsel

  • selbst in der Pflege weiß man noch nicht genau, wie man gut mit Dementen umgehen sollte

  • seit 2008 gibt es gesetzliche Regelungen für Betreuungskräfte (§ 87 b, SGB XI), sie werden nun schrittweise ausgebildet

  • bisher: Grundpflege - waschen, essen, ausscheiden ...

  • und therapeutische Pflege - z.B. laufen lernen nach Schlaganfall

  • Aufgabe der (neuen) Betreuer - der dementen Person noch ein paar schöne Stunden / Tage bereiten

  • höhere Aufgabe: die Seele erreichen, durchdringen zum Menschen, finden, was hinter den Reaktionen steckt

  • kurze Erklärung zur Demenz: de Menz heißt ‚weg vom Geist'

  • Die Demenzkrankheit ist eine Vorbereitung auf die Anderswelt. Es lockert sich die feste Bindung von Leib und Seele. Diese Betrachtung kann auch den Angehörigen helfen. Es entsteht Zeit, zum Abschied-nehmen.


Jeder weiß über die Demenz, dass das Gedächtnis verloren geht. Tatsächlich geht es aber um den schrittweisen Verlust der geistigen Fähigkeiten. Es beginnt mit dem immer fortschreitenden Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. Wir können uns dies folgendermaßen vorstellen. Das Gedächtnis besteht aus Jahrbüchern, die in einem Regal stehen. Und nacheinander fallen die einzelnen Bücher heraus. Es beginnt mit dem Jahr 2012. Dann fällt 2011 heraus, dann 2010 und so weiter.
Irgendwann fällt dann beispielsweise das Jahr heraus, indem man den Führerschein gemacht hat. Daraus folgt die oft beschriebene Geschichte, dass ein Senior völlig verwirrt auf der Kreuzung steht, und weiß mit seinem Auto nichts mehr anzufangen.
Wenn das Jahrbuch herausfällt, in welchem wir zum ersten Mal eine Waschmaschine bedient haben, kann es passieren, dass der hochbetagte Mensch seinen Schlüpfer im Waschbecken auswäscht. Es trifft nicht unbedingt zu, dass diese Person sich gerade schämt, in die Hose gemacht zu haben. Es geht nur um das natürlichste Verhalten der damaligen Zeit, welches angelernt war. Wenn etwas verschmutzt ist, macht es Sinn, es so schnell wie möglich auszuwaschen. Was passiert darauf in der Praxis? Die genervte Tochter faucht ihre Mutter an ..."Du weißt doch genau, dass ich dies alles in der Maschine waschen muss ...
". Aber die Mutter hat keine Vorstellung mehr davon, was eine Waschmaschine ist ...
Wenn es weiter geht mit dem rückwärtigen Vergessen, kann es auch verlernt werden, wie man Messer und Gabel benutzt. Von da ab gibt es halt den Löffel oder Fingerfood.
Im Anhang folgenden dazu weitere mögliche Missverständnisse aus dem täglichen Erleben mit dementen Personen.
Jetzt komme ich zu einer weiteren, großen Tendenz bei der dementen Person. Auch die Wissenschaft ist heute zu der Erkenntnis gelangt, dass der Mensch nur mit einer aufgeräumten Seele sterben möchte. Es geht darum, die eingesperrten Gefühle frei zu lassen, und eventuell noch ausstehende Lebensaufgaben zu erfüllen. Mit Lebensaufgabe meine ich jetzt nicht so große Themen wie  'die Welt retten, Heiler werden, oder Bücher schreiben'. Es geht um die Lebensthemen, welche aus unserer Entwicklung stammen. Als Beispiel möchte ich das Säuglingsalter nennen, wo jeder neue Mensch das bedingungslose Urvertrauen lernen muss (egal was passiert, Mama ist da). Ein Teenager dagegen muss lernen, sich mit sich selbst zu identifizieren und sich frei zu machen.
Nehmen wir nun ein typisches Beispiel aus dem Pflegealltag. Im Pflegeheim beginnt plötzlich die hochbetagte Seniorin nachts aufzustehen, sich anzukleiden und will losgehen. Auf die Frage, was los ist, und wo sie denn hin wolle, kann die Antwort kommen: ... " Ich muss dringend nach Hause, es ist gleich 12 Uhr, und ich muss meinem Vater etwas zu essen kochen. Er kommt gleich heim.
" ...
Der 'klassische' Weg wäre dann zu sagen, schauen sie doch mal, draußen ist es stockfinstere Nacht, und außerdem ist ihr Vater schon fünfzig Jahre tot!
.."  Dies wird die demente Patientin nicht wirklich befriedigen. Im schlimmsten Fall wird die Person richtig sauer werden, und sich lautstark wehren. Dann gibt es die berühmte Zwangsmedikation, und die alte Frau wird ruhig gestellt, Nacht für Nacht.
Nun erzähle ich Euch eine Möglichkeit, wie der Profi mit dieser Situation umgehen könnte. Ein möglicher Gespräch in dieser Situation könnte lauten: "Hallo Frau Meier, wo wollen Sie denn hin? ... Nach Hause, um zu kochen? ... Was wollen Sie denn kochen? ... Was müssen Sie dazu noch besorgen? ... Was kochen Sie denn am liebsten? ... Was passiert denn, wenn es dem Vater nicht schmeckt? ... Er wird wütend? ... Und wie reagiert der Vater, wenn das Essen zu spät fertig wird? ... Er schlägt Sie? ...  Sie hatten es aber auch nicht einfach. ... Ihr Vater war ein strenger Mann. ... Er konnte Ihnen keine Liebe zeigen. ... ... ..."

Falls man dies alles richtig gemacht hat, kann man an den Reaktionen der betreffenden Person spüren, dass es hier um das entscheidende Gefühl geht, welches seit Ewigkeiten eingesperrt ist. Nun kann man tatsächlich sagen: "Aber nun ist er ja nicht mehr.
" Dann bekommt man ein 'Ja'. Die betroffen Frau wird Gefühle zeigen, eventuell stundenlang etwas erzählen, und dann ist dieses Thema für sie erledigt. Sie wird nicht mehr nach Hause zum Kochen wollen. Im besten Fall stoppt dann das weitere Fortschreiten der Demenz, und die Frau kann nach ein paar Monaten in Frieden sterben! Wow!

Fachlich nennt sich dies Validation nach Naomi Feil, einer Pflegespezialistin, die schon seit 50 Jahren an Konzepten arbeitet, wie man mit dementen Personen umgehen kann, um ihnen respektvoll zu begegnen, und auch den anstehenden Emotionen wirklich gerecht zu werden. Nichts, was der/die demente Person tut oder äußert, ist zufällig. Immer steckt eine Emotion hinter dem Verhalten. Es geht nun darum, das aktuelle Gefühl zu finden, es wert zu schätzen, und damit das Problem zu lösen helfen. Die demente Person kämpft darum, mit nicht sooo vielen eingesperrten Gefühlen zu sterben. Dies nennt man Aufarbeitung. Aus der Schmerzforschung weiß man, dass Schmerz auch spirituelle Ursachen haben kann, wie auch religiöse oder Glaubensfragen. "Ich habe gesündigt, ich habe Strafe verdient
" … sind beispielhafte Aussagen von Schmerzpatienten. Eine Demenz kann hier ‚helfen', den Schmerz zu ertragen. Somit ist die Entwicklung der Demenz bei chronischem Schmerz eine mögliche Form, in den Körper zu gehen, um Buße zu tun.

Dementiell Erkrankte haben die Möglichkeit, alle moralischen Schranken fallen zu lassen. Deshalb können sie alles heraus lassen, was sie bisher nicht konnten, oder vermeintlich nicht durften. Dies befreit. Ebenso, wie wir beobachten, dass der Demente in seiner eigenen Biographie zurückgeht, kann man dies analog wie ein Zurückgehen in der menschlichen Entwicklung sehen. Essen mit den Händen, Ausscheiden wann und wo man möchte, keine Rücksichtnahme auf die ‚gute Erziehung' sind Urmuster unserer Vorfahren. Die Zivilisation ist noch nicht so alt.

Aus dem bisher Gesagten ergeben sich einige Schlussfolgerungen für uns im Hier & Jetzt. Falls jemand von Euch einen dementen Angehörigen betreut, kann ich nur empfehlen, sucht Euch einen Spezialisten für Validation, und seht, dass der Senior ca. 1-mal pro Woche eine validierende Betreuung erhält. Ziel ist Aufarbeitung statt Vegetieren.

Empfehlungen

Für diejenigen von Euch, die nach einer Pflegeeinrichtung suchen, gilt es, auf das Therapiekonzept zu achten. Es ist nicht ausschlaggebend, wie pompös der Eingangsbereich irgendeiner Residenz zum lustigen Witwer gestaltet ist. Nicht die Größe des Aquariums ist entscheidend, sondern das Pflegekonzept für Demenz.
Dazu habe ich folgenden Tipp. Seit kurzem gibt es die Internetseite www.pflegelotse.de . Dort kann man über die PLZ nach Pflegeeinrichtungen in der Nähe suchen. Diese erscheinen in einer Liste, in welcher auch die aktuelle Bewertung des MDK in Form einer Schulnote verlinkt ist. Nach Anklicken dieser Note wird der komplette Bericht dargestellt. Dies gibt es erst seit ca. 1,5 Jahren. Es sind über 100 Punkte, welche benotet werden. Bitte schaut auf die Themen, welche für das Wohlbefinden und die Gesundheit Eurer Senioren wichtig sind.

Welche Schlussfolgerungen kann jeder für sich ziehen?
Der validierende Betreuer hat die Aufgabe, die bisher eingesperrten Emotionen der dementen Personen zu finden. Ein Erfolg hierbei ist abhängig davon, welche Zugangswege er findet. Dazu ist es wichtig, möglichst viel über die betreffende Person zu wissen. In der Pflege nennt sich dies Biographiearbeit. Dazu ist es sehr hilfreich, wenn die Angehörigen viel berichten vom Leben der betreffenden Person. Wunderbar ist es dabei, wenn es bestimmte Erinnerungsstücke gibt, bspw. Fotos, Eintrittskarten, Urlaubskarten, Puppen oder ähnliches.
Ich will kurz einen typischen Ablauf ansprechen. Da die politische Vorgabe lautet ‚ambulant vor stationär', und Pflegeheimplätze sehr teuer sind, kommen die meisten Senioren erst in sehr hohen Alter ins Heim. Oftmals ist der Ausgangspunkt ein schwerer Sturz o.ä., welcher einen Krankenhausaufenthalt zur Folge hat. Dort wird dann in Absprache mit der Familie festgelegt, dass Oma nicht mehr nach Hause kommen kann (Treppen steigen, usw.). Dann löst die Familie die Wohnung auf, und schmeißt alles weg, was als nicht wertvoll erscheint. Die hochbetagte Person hat keine Möglichkeit, Abschied zu nehmen, und auch Dinge einzupacken, welche einen besonderen inneren Wert besitzen.
Stellt Euch bitte vor, eine Seniorin hatte in ihrem Wohnzimmer eine Sammlung von Puppen. Die Familie bringt davon die zwei schönsten Puppen mit ins Heim. Was ist aber, wenn Oma als ganz junge Frau ein Kind verloren hatte, oder zwangsweise abtreiben musste, weil das Kind von einer Vergewaltigung stammt. Es kann sein, dass diese Frau aus Scham niemals mit jemandem darüber darüber gesprochen hat, noch nicht einmal mit ihrem Ehemann. Dann könnte es beispielsweise sein, das eine kleine unscheinbare Puppe aus ihrer Sammlung ein Symbol für dieses verlorene Kind ist. Wird diese Puppe weg geworfen, dann verliert diese Frau zum zweiten Mal ihr Kind. Deshalb ist es sehr wichtig, dass äußerst sensibel und achtsam damit umgegangen wird, was die möglichen Schlüsselerinnerungen sind. Es wäre toll, wenn es für jeden Senior im Pflegeheim möglichst eine sogenannte Erinnerungskiste gibt, mit besonderen Erinnerungsstücken, mit denen die Pfleger arbeiten können. Diese Schatzkiste enthält emotionale Trigger.
Damit möchte ich auch empfehlen, redet viel mit Euren Senioren, solange sie sich noch erinnern können, über alles, was für diese Menschen wichtig ist, und sammelt dazu Erinnerungsstücke. Dazu gleich die nächste Empfehlung. Angenommen, draußen fällt ein Ziegel auf den Kopf, und Du kannst Dich plötzlich an nichts mehr erinnern. Wer könnte bei Euch momentan Auskunft darüber geben, wer z.B. Euere besten Freunde in der Schulzeit waren, oder was Euere Lieblingsschulfächer waren? Der Tipp also lautet, beginnt Euere Biographie zu schreiben! Jeder B-Promi oder Politiker veröffentlicht schon mit 35 seine Memoiren. Viel spannender wird es sicher zu lesen sein, was Ihr so erlebt habt. Vermutlich werdet Ihr beim Niederschreiben viele Erkenntnisse über Euer Leben gewinnen.
Eine besonders reizvolle Möglichkeit besteht in einer Partnerschaft. Ebenso wie sich ein Paar in enger Verbindung verpflichten kann, einmal pro Woche einen Liebesabend fest einzuplanen, könnte ein Paar auch beschließen, einmal in der Woche einen Abend für intensive Gespräche zu reservieren. Wenn in vollstem Vertrauen über jedes Gefühl gesprochen werden darf, welches noch irgendwo unerlöst schlummert, hat dieses Paar die Chance, sich in ungewöhnlicher Tiefe kennen zu lernen. Nebenbei ist dies eine wundervolle Demenzprophylaxe.
Und werft bitte nicht immer alles weg, was Ihr so an Erinnerungsstücken habt. Oftmals wird hierzu das Gegenteil empfohlen, regelmäßig alles auszumisten, um alle Anhaftungen los zu werden. Dies wäre aber eine Form von Selbsttäuschung, wenn nicht vorher ein Prozeß zur Klärung aller möglicherweise unaufgelöster Emotionen gemacht wurde.
Bitte werft auch nicht alles von Euern Kindern weg, für das scheinbar die Zeit vorbei ist. Beginnt beizeiten, eine Erinnerungskiste anzulegen.
Was kann ich Euch noch empfehlen? Ganz klar, wartet bitte nicht, bis der Körper den Verzweiflungsweg in die Demenz oder Depression geht, sondern nutzt jede Gelegenheit, ob allein, mit Vertrauten oder dem Heiler Eurer Wahl, an all den Traumata und verschlossenen Gefühlen zu arbeiten, um Licht in den Keller Eurer Emotionen zu bringen. (Kreis der Heiler)


Demenz - weitere hilfreiche Fallbeispiele
Dehydrierung
- Auch heute noch kann es passieren, dass Bewohner von Pflegeheimen verhungern oder verdursten. Mangelerscheinungen und Dehydrierungen sind recht häufig. Die dementen Personen werden zwar ausreichend versorgt, sind aber nicht in der Lage, dies selbständig zu sich zu nehmen.
Sehr oft wird den Bewohnern in Alten- u. Pflegeheimen regelmäßig Tee oder Saft in bunten Plastebechern gereicht. Die dementiell erkrankte Person denkt sich in dem Moment eventuell, dass trinken gut wäre, aber hier steht nur der Becher vom Enkel. Niemals würden die Großeltern ihren Enkeln etwas weg trinken. Diese Generation ist auch Entbehrungen gewohnt. Sie würden diese Haltung durchstehen bis zur Selbstaufopferung.
Welcher der heute Hochbetagten hatte zuhause einen Geschirrspüler? Zum praktischen Tagesablauf gehört es, nach jeder Mahlzeit alles sofort aufzuwaschen, und an seinen gewohnten Platz zu stellen. Somit kann es ganz normal sein, dass schon vierzig Jahre lang täglich der Morgenkaffee aus der gleichen Tasse getrunken wurde -  dies ist der Becher von Opa, und diese Tasse gehört Oma! Und dann wurde genau dieses Porzellan als alt und schedderich beim Wohnungsauflösen in den Container gegeben. Hätte die betreffende Person im Pflegeheim aber ihren Standartbecher, dann könnte das Trinken automatisch funktionieren. Deshalb möchte ich hier nochmals darauf hinweisen, sehr bewusst zu sein bei dem, was weg geworfen wird.

Inkontinenz
- Es gibt verschiedene biologische Ursachen in Form bestimmter Erkrankungen, die zu Inkontinenz führen können. Diese sollen hier nicht besprochen werden. Ich möchte auf die Folgen eines möglichen Fehlverhaltens hinweisen. Angenommen, eine Familie sagt sich, die Kinder sind raus, und wir haben jetzt den Platz, die liebe Tante zu uns zu nehmen. Dann wir noch einmal der Bereich durchrenoviert, die Tante wird geholt, und alles verläuft harmonisch … Eines Tages geschieht es aber plötzlich, dass bei fortschreitender Demenz die Tante auf Toilette muss, und geht ins Badezimmer. Dort versteht sie die Welt nicht mehr. Eine Toilette ist doch eine stabile Kloschüssel, die fest auf dem Boden steht. In diesem Bad hängt aber so ein zierliches Teil an der Wand, welches auf keinen Fall ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.  Und der Spülkasten mit Kette ist auch nirgends zu entdecken. Da die hochbetagte Person niemanden zur Last fallen möchte, hat sie nun ein großes Problem. Vor lauter Not wird sich in die Dusche gehockt, bzw. ein Mann pinkelt vielleicht in das Waschbecken. Aus Sicht des Dementen ist dies die beste Lösung, denn dort kann gespült werden. Aber wehe, wenn der Senior dabei erwischt wird. Dann gibt es ein Riesengeschrei, und die gestreßte Schwiegertochter vermutet, dass hinter diesem Verhalten die pure Boshaftigkeit steckt. Noch mal ganz klar, die demente Person möchte und macht aus ihrer Sicht alles möglichst richtig. Sie kann nicht verstehen, wenn sie dafür Ärger erntet und wird zunehmend verunsichert und verschreckt. Ein möglicher Ausweg für diese Person liegt in der scheinbaren Inkontinenz, denn dies wird als Krankheit akzeptiert, wogegen jedes andere falsch platzierte Urinieren als persönliche Fehlleistung gebrandmarkt wird. Bei richtigem Verständnis der Ursachen für das aktuelle Verhalten der dementiell erkrankten Personen kann in diesem Beispiel mit gezieltem Toilettentraining die Situation sehr deutlich verbessert werden.

Zahnschmerzen
- Ein Bewohner eines Pflegeheimes fängt während der Mahlzeit an zu schreien und zu randalieren. "Dies ist ein Schweinefraß hier, es ist zum Kotzen, ihr wollt mich vergiften, etc.". Nun könnte man annehmen, diese Person fühlt sich in dem Heim nicht wohl, und mag das Essen tatsächlich nicht. Es könnte aber auch ganz einfach sein, dass dieser Mensch Schmerzen im Mund hat, z.B. durch die Prothese. Bei diesem Patienten ist zwar die Schmerzwahrnehmung noch da, aber sie kann den Zusammenhang zum Mund nicht mehr herstellen. Während die geistige Verarbeitung des Schmerzes nicht mehr gegeben ist, bleibt im Langzeitgedächtnis die kindliche Angst vor dem Zahnarzt erhalten. Deshalb kann es passieren, dass auf die Frage, ob er Zahnschmerzen hat, ein klares Nein kommt. Nur wer um diese Zusammenhänge weiß, kann dem dementen Mensch zielgerechtet helfen.
Mit all den bisher gemachten Aussagen möchte ich dazu anregen, diesen Menschen, die nach einem aktiven Leben plötzlich auf Hilfe angewiesen ist, wirklich als Mensch wahr zu nehmen, und die Tiefe ihrer Emotionen zu respektieren.
Ich wünsche Euch klare Erkenntnisse und gute Gefühle.

herzlichst
Frank Sohr

Copyright: Frank Sohr    www.hifas.eu
Bei Verwendung des Textes bzw. von Auszügen erbitte ich die Angabe der Quelle.

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